Das Museum Herbst-Palast, eine Abteilung des Muzeum Sztuki in Łódź, und das Museum Rotes Haus in Monschau sind Interieurmuseen, historische Häuser. Wenn wir vom gemeinsamen Erbe sprechen, denken wir an kulturelle, historische und anthropologische Werte. In diesem Zusammenhang ist es von vorrangiger Bedeutung, dass beide Institutionen in historischen Häusern untergebracht sind, die einst Familien gehörten, welche einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung und Industrialisierung beider Städte hatten. Was zeichnet solche Museen, historische Häuser, aus, was bestimmt ihre Identität? In einem historischen Haus, einem Interieurmuseum, stehen am Anfang der Erzählung meist seine Bewohner und deren Schicksale. Weitere Themen sind die Geschichte der jeweiligen Stadt, des jeweiligen Landes, die Einbindung der Geschicke der Familie in politische, wirtschaftliche und soziale Geschehnisse usw. Die Geschichte von Menschen, die im jeweiligen Hause lebten, ist ein Ausgangspunkt für die Erforschung des Alltags einer bestimmten Epoche, aber zum Beispiel auch für die Analyse der Sozialgeschichte. Diese facettenreiche Veranschaulichung, dieser Kontrast – die große Geschichte auf der einen Seite und die Geschichte des häuslichen Alltags auf der anderen – bestimmt die Identität und Einzigartigkeit dieser Art von Museen, historischen Häusern.
Die historischen Häuser in Łódź und Monschau haben gemeinsame Wurzeln: Es ist die Geschichte der Familien Scheibler und Herbst, Vertreter einer wohlhabenden sozialen Gruppe, des Bürgertums, das die Geschichte, das Wirtschaftswachstum und den Wandel der Städte maßgeblich beeinflusst hat.
Heutzutage sind beide Institutionen durch eine gemeinsame Mission verbunden, die sich auf die Erhaltung und Zugänglichmachung von Erbe konzentriert, das nicht nur für die lokale Gemeinschaft wichtig ist. Das Museum Herbst-Palast und das Museum Rotes Haus dienen der Öffentlichkeit durch historische Forschung, Wissensvermittlung und Bildung. Ein Besuch in einem historischen Haus regt die Phantasie an, vermittelt den Eindruck, durch die Zeit zu reisen, und erleichtert es, sich Wissen über die jeweilige Epoche anzueignen und unter anderem Fragen aus den Bereichen Kunst, Handwerk und sogar Gartenkunst zu vertiefen.
Der Studienbesuch der Mitarbeiter des Museums Herbst-Palast (Abteilung des Muzeum Sztuki in Łódź) bei der Scheibler-Stiftung des Museums Rotes Haus in Monschau diente dem Diskurs zum kulturellen und historischen Erbe sowie dem Erfahrungsaustausch bei der Präsentation von Sozialgeschichte und der Erforschung der Geschichte der Alltagskultur der Mittel- und Oberschicht. An diesem Erfahrungsaustausch nahmen nicht nur Mitarbeiter beider Museen teil, sondern auch Historiker, die die Geschichte beider Familien erforschen. Ein wichtiges Element des Projekts war ein Film, der für das historische Haus: das Museum Herbst-Palast, Außenstelle des Kunstmuseums Łódź, warb. Unser Anliegen war es, das Publikum, einschließlich sehbehinderter Menschen (der Film wurde auch mit einer Audiodeskription gedreht), dazu anzuregen, die Geschichte der multikulturellen Gemeinschaft von Łódź durch das Prisma des Schicksals der Familie eines der Fabrikbesitzer kennen zu lernen. Der Film wurde in drei Spracheversionen gedreht: auf Polnisch, Deutsch und Englisch, wodurch die Informationen auch ausländische Touristen erreichen können. Zahlreiche Treffen im Museum Rotes Haus boten Gelegenheit, über die Besonderheit der Aktivitäten des Museums in Łódź im Hinblick auf die Erforschung der Geschichte der Industriellenfamilien zu sprechen und die Ergebnisse der langjährigen Archivrecherchen der Mitarbeiter des Museums Herbst-Palast zu präsentieren. Unter anderem wurde die Publikation Die Herbsts. Eine Fabrikantengeschichte (veröffentlicht im Dezember 2019 durch das Muzeum Sztuki in Łódź und das Muzeum Sopotu), die als erste Biografie dieser Familie die Lücke im aktuellen Wissensstand füllt, vorgestellt.
Zudem wurden die Ergebnisse der Forschung zur Genealogie der Herbsts vorgestellt, die unter anderem zur Vorbereitung von Ausstellungen im Museum Herbst-Palast, Abteilung des Muzeum Sztuki in Łódź, genutzt wurden: Die Herbsts. Unvollendete Geschichten und Das Haus aus Träumen. Die Ausstellung Das Haus aus Träumen war eine Art Ausstellungsexperiment, ein Versuch, eine Geschichte auf innovative Weise zu erzählen und neue Methoden zu erproben, um das zeitgenössische Publikum anzusprechen. Die Ausstellung wurde in eine Dauerausstellung in den Palastinterieurs eingebunden, begleitet von einem Kommentar in Form eines Hörspiels, das im Theater des Polnischen Hörfunks unter Mitwirkung bekannter polnischer Schauspieler aufgenommen wurde.
Fragen im Zusammenhang mit der Zugänglichmachung der Ausstellung wurden auch im Zusammenhang mit der Erleichterung des Kontakts mit Kunst für sehbehinderte Menschen vorgestellt.
In den Jahren 2011-2013 wurden im Museum Herbst-Palast, Abteilung des Muzeum Sztuki in Łódź, Konservierungs- und Modernisierungsarbeiten durchgeführt, bei denen ein von den Mitarbeitern des Museums entwickeltes innovatives System „Flüstern“ in den historischen Innenräumen installiert wurde, das es Menschen mit Sehbehinderungen ermöglicht, sich sowohl in den Palastinnenräumen als auch in dem den Palast umgebenden Garten selbständig zu bewegen (Navigation). Die Ausstellung der Innenräume und Gemälde aus der Sammlung wurden von den Museumsmitarbeitern mit Hilfe einer Audiodeskription beschrieben. Für die Entwicklung und Implementierung dieses Systems erhielt das Museum die Auszeichnung Sybilla 2013 – XXXIV Wettbewerb für die Museumsveranstaltung des Jahres.
Das System „Flüstern“ ist die Grundlage für pädagogische Aktivitäten, die auf die Aktivierung von Menschen mit Sehbehinderungen abzielen. Der Unterricht, der zum ständigen Angebot des Museums gehört, richtet sich sowohl an Erwachsene als auch an Kinder. Darüber hinaus organisiert das Museum Herbst-Palast Schulungen und Seminare für Museumsleute über die Erstellung einer Audiodeskription und die Arbeit mit Besuchern mit Behinderungen.
Ein Studienbesuch im Museum Rotes Haus bot Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch darüber, wie die Ausstellung in einem spezifischen Museum, einem historischen Haus, zugänglich gemacht und erzählt werden kann. Darüber hinaus eröffnete das Treffen mit den deutschen Kollegen neue Felder für die weitere Zusammenarbeit zwischen den beiden Institutionen.
Dorota Berbelska
Magdalena Michalska-Szałacka